Pränataldiagnostik
Man kann die moderne Medizin heute Segen oder Fluch nennen – denn viele Eltern, die sich für die Pränataldiagnostik feststellen lassen, ob ihr Kind eine Fehlbildung hat oder nicht. In Österreich wird diese Untersuchung von der Krankenkasse für Patientinnen bezahlt, die jenseits der Altersgrenze von 35 Jahren sich für ein Kind entscheiden. Denn das mütterliche Alter von über 35 gilt als dezidierter Risikofaktor, dass bei Kindern vermehrt Fehlbildungen auftreten. Die Kosten werden von der Krankenkasse aber auch übernommen, wenn bei jüngeren werdenden Müttern bei den regulären Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen ein auffälliger Befund festgestellt wird, der weitere Untersuchungen erforderlich macht oder wenn eine genetische Vorbelastung in der Verwandtschaft ersten Grades besteht für bestimmte Erkrankungen oder schon Komplikationen bei vorangegangenen Schwangerschaften aufgetreten waren.
Die meisten Abbrüche dieser Art werden vorgenommen, wenn Fehlbildungen festgestellt werden, das Kind aber durchaus überleben könnte, doch sein Leben lang im Rollstuhl sitzen würde und harn- und stuhlinkontinent ist. Doch auch Herzfehler gehören zu den häufig diagnostizierten Fehlbildungen, weshalb es zu einem Abbruch der Schwangerschaft kommt. Auch das Down-Syndrom kann heute diagnostiziert werden.
In allen anderen Fällen besteht in Österreich “keine medizinische Notwendigkeit” für eine pränataldiagnostische Untersuchung. Die Kosten dafür müssen dann von der Schwangeren selbst getragen werden. Gerade wenn die Mütter älter sind als 35 Jahre, kann es gut sein, dass die Fehlbildung des Kindes sehr schwerwiegend ist. Dabei bricht in – ob nun mehr oder schwerwiegend eine Fehlbildung auch ist – für die Eltern nach der Pränataldiagnostik zunächst einmal eine Welt zusammen. Denn diese Nachricht löst eine akute Krise aus. Alle Vorstellungen, die eine Familie betreffen, werden in diesem Moment in Frage gestellt. Hinzu kommt, dass die Eltern aus dem Schockzustand heraus entscheiden müssen, wie es nun weitergehen soll – soll das Kind leben oder soll es sterben gelassen werden. „Medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbruch“ – so lautet ganz trocken der medizinische Fachbegriff.
Gesetz in Österreich
Dabei besagt das Gesetz in Österreich, dass eine Schwangerschaft auch noch bis kurz vor der Geburt beenden werden darf, wenn – so der Gesetzestext von Paragraf 97 des Strafgesetzbuches: „eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“. Der Abbruch nach der 12. Schwangerschaftswoche bedeutet dabei, dass die Wehen mit der Hilfe von Medikamenten eingeleitet werden und die Mutter ihr Kind vaginal zur Welt bringen muss. Während des Geburtsvorganges stirbt das Kind dabei. Allerdings kann es ab der 20. Schwangerschaftswoche sein, dass das Kind durchaus nach der Geburt Lebenszeichen zeigt.
Fetozide
Normalerweise gilt ein Baby ab der 25. Schwangerschaftswoche auch außerhalb der Gebärmutter als überlebensfähig. Für den Fall, dass sich eine werdende Mutter erst zu diesem Zeitpunkt für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet nach einer Pränataldiagnostik, weil eine Fehlbildung vorliegt, wird ein sogenannter Fetozid vorgenommen werden. Hierbei wird dem Baby noch im Mutterleib eine tödliche Spritze ins Herz gesetzt. Das Herz hört dann auch zu schlagen und danach werden die Wehen medikamentös eingeleitet. Allerdings muss diese „Tötung“ des Babys im Mutterleib zuvor bewilligt werden, und zwar durch ein Ärzteteam der Abteilung für Geburtshilfe. Auch werden die Eltern während dieses Prozesses zwischen Diagnose und Abbruch psychosozial begleitet. Den Eltern wird dabei ausreichend Zeit für die Bildung einer Entscheidung gelassen. Dabei muss die Entscheidungsfindung exakt dokumentiert werden, ebenso wie die Fälle an sich selbst. Erstmals auf diese Weise wurde in Österreich ein Fetozid im Jahr 2002 vorgenommen, und zwar in der 26. Schwangerschaftswoche. Seither werdenrt. Spätabbrüche dieser Art in Österreich nur in pränatalmedizinischen Zentren vorgenommen. Wie viele Abbrüche dieser Art in Österreich jährlich vorgenommen werden, ist unbekannt. Zu diesem Themenbereich gibt es keine Statistiken.
Ausschlaggebend für die Entscheidung für oder gegen das Leben ist außer dem Grad der möglichen Behinderung und der Prognose über eine möglich Heilung auch die Familienkonstellation und natürlich die persönliche Einstellung der Eltern zu Krankheit und vor allem Behinderung. Dabei spielt auch die Kultur und Religion der Betroffenen nicht selten eine Rolle. Muslime treiben Kinder mit Fehlbildungen weniger häufig ab, als Christen. Die Diagnose wird dann eher als Schicksal angesehen.