Gender Medizin – Verschiedene Symptome bei Mann und Frau
Auf den ersten Blick lassen sich Männer von Frauen aufgrund ihrer unterschiedlichen anatomischen Voraussetzungen differenzieren. In der Gender Medizin geht es nun darum, auch geschlechtsspezifische Krankheitssymptome zu erkennen und schlussendlich die verschiedenen Wirkungsweisen von Arzneimitteln im Behandlungskonzept zu integrieren. Experten unterstreichen, dass es in der Gender Medizin schon längst eine Kehrtwende gab. Frauen sind keine kleinen Männer. Entsprechend anzupassen sind aus diesen Erkenntnissen gewonnene Therapiekonzepte. Dieser Beitrag beleuchtet Besonderheiten zur Geschichte, Umsetzung und Perspektiven der Gender Medizin.
Gender Medizin – Eine Welle aus den USA
Der Bereich der Gender Medizin gehört zu einem der innovativsten Forschungsgebiete, welches in den 1980er Jahren seitens der US-amerikanischen Kardiologin namens Marianne Legato aus der Wiege gehoben wurde und bereits damals seinen Namen bekam. Der Begriff gender stammt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie soziales Geschlecht. Damit stellt das Wort gender den Gegenpool zum biologischen Geschlecht sex dar. Im Deutschen ist diese begriffliche Unterscheidung eher unbekannt.
Der Grundgedanke der Gender Medizin entsteht dadurch, dass Erkrankungen bei Frauen und Männern unterschiedlich zum Ausdruck kommen. Aus diesem Grund sind Anamneseelemente wie Diagnose und Therapieverfahren schlussendlich auch die passende Medikation unter spezifischen geschlechtsspezifischen Perspektiven zu betrachten. Diese Sichtweise basiert nicht nur auf den grundlegenden Unterschieden von Mann und Frau. Vielmehr geht es auch um biologische Differenzen wie Hormone, Chromosomen und Anatomie. Nicht zuletzt spielen auch psychosoziale Faktoren wie Umwelt, Kultur und verschiedene Lebenswelten eine wesentliche Rolle.
Kommt Zeit, kommt Gender Medizin
Auf den ersten Blick scheint es unglaublich, dass der Begriff Gender erst so spät Einzug im medizinischen Alltag hielt. So ist es gar nicht lange her, dass Arzneimittel, Prothesen, aber auch künstliche Gelenke ausschließlich dank der Männerwelt getestet wurden. Frauen standen bei diesen Vorgehensweisen stets außen vor. Dies gilt im Übrigen auch bei der routinemäßigen Diagnose, Behandlung beziehungsweise Prävention.
Experten gehen heute davon aus, dass Frauen einerseits aufgrund des monatlichen Zyklus immer wieder gezielt bei entsprechendem Vorgehen ausgeschlossen wurden. Nicht zuletzt hätten die verschiedenen Zyklusphasen sämtliche Forschungsergebnisse maßgeblich beeinflusst. Gleichzeitig hätte zu jeder Zeit ein zusätzliches Risiko bestanden, wenn Frauen mit unentdeckten Schwangerschaften an entsprechenden Maßnahmen teilgenommen hätten. Heute ermöglichen fortgeschrittene Wissenserweiterungen aber auch Studienergebnisse die Involvierung der Frauen in neue Forschungsmethoden und Projekte. Dennoch kommt es hin und wieder vor, dass einige Krankheiten bei Frauen schlicht und einfach nicht diagnostiziert werden.
Gleiche Krankheit – unterschiedliche Symptome
Auffällige, geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich beispielsweise bei Herz-Kreislauferkrankungen oder Rheuma. Obwohl mittlerweile bekannt ist, dass es sich bei Schlaganfall und Herzinfarkt überhaupt nicht mehr um reine Männerkrankheiten handelt, werden diese bei Frauen meist nicht erkannt. Sollten sie dann doch diagnostiziert werden, ist noch heute vielfach zu spät.
Nicht zuletzt hängt dies vor allem auch damit zusammen, dass sich bestimmte Krankheiten bei Frauen mit komplett anderen Symptomen ankündigen. Zur Überraschung vieler, vor allem junger Ärzte, erweist sich eine erste Diagnose infolge dessen oft als Trugschluss.
Beispielsweise sind erste Anzeichen eines Herzinfarkt vor allem durch Schmerzen im Bereich des Oberbauchs beziehungsweise des Rückens wahrzunehmen. Auch bemerken Frauen hier oftmals eine starke Abgeschlagenheit, Knöchelödeme beziehungsweise vereinzelt auch Schlafstörungen. Im Gegensatz dazu definieren Ärzte heute sogenannte typische Männersymptome von Herzinfarkt. Hierzu gehört beispielsweise ein stark schmerzender Druck im Bereich des unteren Brustbeins, welches bis in die Arme und Schultern ausstrahlt. Dies ist bei Frauen nur in äußerst seltenen Fällen zu beobachten.
Aber hier liegen nicht die größten Unterschiede. Studien belegen, dass Frauen häufiger als Männer an Reizdarm beziehungsweise Migräne leiden. Zudem vermuten Wissenschaftler, dass es auch in puncto Schmerzempfinden und Schmerzwahrnehmung deutliche Unterschiede zu verzeichnen gibt. Interessanter Weise wurden Erkrankungen wie beispielsweise Osteoporose verstärkt den weiblichen Patienten zugeschrieben. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass eine genderspezifische Sichtweise zur schlussendlich ansteigenden Anzahl von Männern mit Osteoporose führt.
An diesem Beispiel wird sichtbar, welchen Vorteil die Gender Medizin im Alltag von Arztpraxen und Klinik bieten kann. Darüber hinaus ermöglicht die genderspezifische Perspektive auch ein besseres Verständnis, warum bestimmte Behandlungsmethoden bei Patienten anschlagen, jedoch bei Patientinnen zu keiner Besserung der Beschwerden führen. Beispielsweise kann der Blutzucker von weiblichen Diabetikern besser optimal eingestellt werden, als bei männlichen Patienten.
Genderspezifische Medikamente: Studien belegen Unterschiede zwischen Mann und Frau
Bis heute gibt es eine stetig steigende Anzahl an wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich mit der Wirkung eines spezifischen Medikaments auf Frauen und parallel dazu auch auf Männer auseinandersetzten.
Noch vor wenigen Jahren gingen Ärzte und Apotheker davon aus, dass die genderspezifischen Unterschiede in Bezug auf die Wirkungsweise von Medikamenten ausschließlich auf Differenzen in Gewicht als auch Körpergröße zurückzuführen seien. Dies ist jedoch nicht nur der Fall, denn Studien neueren Datums zeigen, dass der weibliche Hormonhaushalt als auch Stoffwechsel die Arzneimittelwirkung deutlich beeinflusst. Hinzu kommt, dass ein Medikament nur dann wirken kann, wenn die Wirkstoffe von Muskel- und Fettmasse aufgenommen werden. Diesbezüglich gibt es auch Unterschiede bei Männern und Frauen. Nicht zu unterschätzen ist hier auch der Wassergehalt des jeweiligen Organismus.
Da bei Frauen ein durchschnittlich höherer Körperfettanteil zu messen ist, wirken Arzneimittel mit fettlöslichen Inhaltstoffen bei Frauen folglich stärker. Im Gegensatz dazu gibt es jedoch auch eine Reihe verschiedener Wirkstoffe, welche im weiblichen Organismus viel langsamer zur Leber transportiert werden beziehungsweise von den Nieren nicht so stark gefiltert werden.
Der Vorteil einer genderspezifisch ausgerichteten Medizin liegt darin, dass Nebenwirkungen und mögliche Überdosierungen bei Berücksichtigung des Geschlechts gezielt vermieden werden können. Forscher gehen davon aus, dass zukünftig vor allem auch die Frage nach verschiedenen Reaktionen von Frauen und Männern auf bestimmte Medikamente wie beispielsweise Antiepileptika, Herzmedikamente oder Präparate zur Regulierung der Blutgerinnung. In diesem Zusammenhang scheint es besonders interessant, dass es in Europa nur ein einziges Medikament (gegen Haarausfall), welches in der Packungsbeilage eine genderspezifische Gabe empfiehlt beziehungsweise mit Nachdruck betont.
Gender Medizin ermöglicht interdisziplinären Austausch
In der Gender Medizin geht es jedoch nicht nur um biologische und genetische Grundvoraussetzungen. So ist auch in sozialen und psychologischen Bereich eine genderspezifische Tendenz zu beobachten. Beispielsweise werden Suchterkrankungen vorrangig bei Männern registriert und diagnostiziert. Dies bezieht sich vorrangig auf die Alkoholabhängigkeit. Im Gegensatz dazu erfolgt bei Frauen häufiger eine Diagnose, beispielsweise Depression, von psychischer Natur.
Gleichzeitig gibt es jedoch auch im Zusammenhang mit operativen Einsätzen geschlechtsspezifische Unterschiede. So wurden bis dato bei Frauen mit Brustkrebs vor allem auch psychologische Gesichtspunkte mit in das Therapiekonzept integriert. Im Gegensatz dazu wurden diese jedoch bei Männern mit Prostatakrebs postoperativ in den meisten Fällen vernachlässigt.
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Quelle:
¹ Gendermedizin – geschlechtsspezifische Medizin (gesund.co.at)
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