AGS Syndrom
Ursachen, Symptome, Diagnostik, Therapie und Verlauf
Beim adrenogenitalen Syndrom (AGS) handelt es sich um eine Stoffwechselerkrankung mit erblichen Ursachen, welche auf eine gestörte Hormonbildung der Nebennierenrinde zurückzuführen sind. In Österreich wird das AGS Syndrom jährlich bei sieben bis acht Kinder diagnostiziert. Da die Symptome von genderspezifischen Ausprägungen gekennzeichnet sind, ist eine Diagnose von AGS nicht immer einfach. Dennoch erzielt eine möglichst frühzeitige Behandlung bestmöglichste Erfolge. Vereinzelt kommt es jedoch erst zur Diagnose, wenn sich eine Frau mit unerfülltem Kinderwunsch näheren Untersuchungen unterzieht. Hier erfahren Sie mehr zu Symptomen, Verlauf und innovativen Therapiemöglichkeiten vom AGS Syndrom.
Was ist das AGS Syndrom?
Der Begriff des adrenogenitalen Syndroms bezieht sich auf eine Sammlung verschiedener, erblich bedingter Stoffwechselerkrankungen. Obwohl jede Einzelne von ihnen unterschiedlich ausgeprägt ist, lässt sich eine gemeinsame Ursache definieren. So verhindert die Nebennierenrinde Betroffener die Synthese bestimmter Hormone, da ein einziges Enzym fehlt. Wird das AGS Syndrom nicht diagnostiziert beziehungsweise bleibt eine Behandlung aus, beeinflusst dieses die gesunde Entwicklung der männlichen und weiblichen Keimdrüsen.
Das betroffene Enzym heißt 21-Hydroxylase und führt zu verschiedenen Formen des AGS Syndroms:
- Klassisches AGS Syndrom: erste Symptome treten bereits bei Neugeborenen zutage
- Nicht klassisches AGS Syndrom: Beginn meist während der Pubertät beziehungsweise im Erwachsenenalter, Verlauf deutlich milder
- Kryptische Form des klassischen AGS Syndroms (ohne typische Symptome)
- Late-onset Form des klassischen AGS Syndroms (Symptome treten sehr spät zutage)
Durchschnittlich leitet circa eine Person von insgesamt 10.000 Menschen an einem klassischen AGS Syndrom. Das Interessante ist, dass jedoch mindestens 200 Mal mehr Personen für das AGS typische Erbmerkmale in sich tragen, ohne die Krankheit selbst zu haben.
Im Gegensatz dazu wird das nicht klassische AGS viel häufiger diagnostiziert. Eine Person von 1.000 Menschen weist entsprechende Merkmale auf.
Welche Symptome treten auf?
Das andrenogenitale Syndrom ist durch unterschiedliche Symptome gekennzeichnet. Diese sind abhängig von der jeweiligen Ursache, aber auch vom Geschlecht der Patienten. Bereits während der Geburt von Mädchen wird das klassische AGS bemerkt. So sind die äußeren Geschlechtsorgane stark vermännlicht, da bereits im Mutterleib ein übermäßiger Anteil an männlichen Hormonen übertragen wurde. Mediziner beschreiben beispielsweise eine leichte Vergrößerung der Klitoris (Klitorishypertrophie) beziehungsweise vereinzelt einen Pseudopenis. In Bezug auf innere Geschlechtsorgane sind bei betroffenen Mädchen keine Veränderungen zu bemerken. Bei Jungen lässt sich das klassische AGS vorerst äußerlich nicht erkennen.
Wird das AGS nicht behandelt, wachsen die Kinder zu stark und vor allem zu schnell. Infolge dessen sind Patienten für ihr Alter eindeutig zu groß. Der Nachteil ist hierbei vor allem, dass sich alle dem Knorpel ähnelnden Wachstumszonen aller Knochen vorzeitig schließen. Bleibt die medikamentöse Behandlung aus, können sie später als Erwachsene unter Kleinwuchs leiden.
Bei Mädchen verursacht das AGS zudem eine zu früh einsetzende Schambehaarung. Auch lässt sich bei Betroffenen eine allgemein stärkere Behaarung bemerken.
Weitere Symptome von AGS bei Mädchen sind:
- Typisch männliche Behaarungsmuster (auf der Brust oder an Oberlippe): Hirsutismus
- Amenorrhö: vereinzelt bleibt die Regelblutung aus
Im Gegensatz zu Mädchen bemerken Experten AGS bei Jungen erst mit zunehmenden Alter. Oftmals zeigt sich dieses Syndrom durch eine deutliche, vorzeitige Geschlechtsentwicklung. Mediziner sprechen hierbei von einer Scheinpubertät:
- Pseudopubertät durch stark erhöhten Androgen Spiegel
- Frühzeitiges Wachstum von Penis und Schambehaarung
- Hoden wachsen jedoch nicht
Wird das adrenogenitale Syndrom bei Jungen nicht behandelt, führt dies zur Zeugungsunfähigkeit. Die Hoden entwickeln sich nicht natürlich und produzieren infolge dessen keine Spermien.
Darüber hinaus gibt es typische AGS Symptome der klassischen Form, die bei beiden Geschlechtern auftreten:
- erhöhte Infektanfälligkeit
- Hypoglykämie (Unterzuckerung)
- Müdigkeit
- Stressanfälligkeit
Zudem geht das klassische Syndrom häufig mit einem Salzverlust einher. Das Salzverlustsyndrom äußerst sich teilweise bereits während der ersten beiden Lebensmonate und kann lebensbedrohliche Folgen haben. Starkes Erbrechen, apathisches Verhalten als auch ein starker Gewichtsverlust ist kennzeichnend hierfür.
Im Gegensatz zum klassischen AGB ist das nicht klassische AGS von milderen Symptomen geprägt.
Hierzu zählen beispielsweise:
- Akne
- sehr fettige Haut
- vermehrte Körperbehaarung
- sehr tiefe Stimmlage
- Menstruationsstörungen
Wie erfolgt die Diagnose von AGS?
Neben typischen Symptomen diagnostiziert der Mediziner das adrenogenitale Syndrom durch eine Blutuntersuchung. Sehr typisch für diese Stoffwechselerkrankung ist es, dass beispielsweise bestimmte Hormonspiegel deutlich erhöht sind.
Wenn es sich um ein AGS mit Salzverlust handelt, werden dem Blut folgende Eigenschaften zugeschrieben:
- Natriummangel
- Stark erhöhter Kaliumspiegel
- Azidose (übersäuertes Blut)
Darüber hinaus zeigt eine Urinuntersuchung eine erhöhte Konzentration verschiedener Abbauprodukte, die eine übermäßige Bildung von Hormonen zurückzuführen ist. Um festzustellen, ob Erwachsene Träger des adrenogenitalen Syndroms ohne Symptome sind, kann mithilfe einer DNA Untersuchung eine Blutprobe auf verändertes Erbgut untersucht werden.
Welche Therapie eignet sich bei AGS?
Zur Behandlungsmöglichkeit der ersten Wahl eignet sich eine Hormonersatztherapie. Hierfür ist ein ganzes Leben lang das nicht vorhandene Hormon Kortisol zuzuführen. Meist erfolgt dies auf oralem Weg (Tabletten). Nur in Ausnahmefällen sind Infusionen geeignet. In diesem Zusammenhang gilt zu beachten, dass es sich bei Kortisol um ein Stresshormon handelt. Dies bedeutet, dass Personen mit AGS während Stresssituationen die jeweilige Arzneimitteldosis erhöhen müssen. Typische Situationen hierfür sind starke körperliche Belastungen, Infektionen mit Fieber oder operative Eingriffe jeder Art.
Wird das adrenogenitale Syndrom gemeinsam mit dem Salzverlustsyndrom diagnostiziert, ist neben Kortisol auch das Hormon Aldosteron oral einzunehmen.
Wenn Mädchen beziehungsweise Frauen typische Anzeichen einer Vermännlichung zeigen, ist die Therapie mit einem ausgewählten Antiandrogen, wie beispielsweise Cyproteron, indiziert. Handelt es sich jedoch um deutliche Veränderungen der äußeren Geschlechtsorgane bei Mädchen, werden meist operative Eingriffe im Verlauf des ersten Lebensjahres vorgenommen. Sollten aufgrund vom AGS mehrere Operationen während der frühen Kindheit beziehungsweise der Pubertät notwendig sein, ist eine begleitende Psychotherapie empfehlenswert.
Ausblick und Verlauf des adrenogenitalen Syndroms
Mögliche Folgen sind abhängig von den jeweiligen Symptomen beziehungsweise von den ursprünglichen Auslösern vom AGS. Es gibt es Stoffwechselerkrankungen, die von einem sehr milden und kaum bemerkbaren Verlauf geprägt sind. Andere wiederum können vor allem im Säuglingsalter schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.
Grundsätzlich betonen Mediziner, dass ein gut behandeltes AGS einem hervorragenden Verlauf folgt. Hierbei ist es wichtig, Patienten nicht nur mit den tatsächlich benötigten Hormonen zu versorgen, sondern diese vielmehr richtig zu dosieren. Nur so kann eine Linderung von Beschwerden erfolgen. Gleichzeitig gilt zu betonen, dass der Verschreibung von Arzneimitteln vor allem auch eine ausführliche Diagnose vorausgehen muss. Gelingt es medizinische Maßnahmen adäquat einzuleiten, spricht nichts dagegen, dass Betroffene später Kinder zeugen können. Kommt es jedoch zu einer Unter- oder
Überdosierung der Arzneimittel, können schwerwiegende Auswirkungen folgen:
- Adipositas (Fettleibigkeit)
- Kleinwuchs
- Hypertonie (akute Blutdruckerhöhung)
- Diabetes mellitus
- Salzverlustsyndrom
- Unfruchtbarkeit
Gleichzeitig ist zu betonen, dass dieser erblich bedingten Erkrankung nicht direkt vorgebeugt werden kann. Sollten Paare bereits ein Kind mit AGS gezeugt haben, kann eine medizinische Beratung sinnvoll sein, wenn ein weiterer Kinderwunsch besteht.